Wenn selbst der konservative Schriftsteller Mario Vargas Llosa mit „linken“ peruanischen Menschenrechtsgruppen einer Meinung ist, dann muss wirklich etwas schwerwiegendes vorgefallen sein. Vargas Llosa ist einer von zahlreichen peruanischen intellektuellen Unterzeichnern eines offenen Briefes, in dem die peruanische Regierung aufgerufen wird, das Angebot Deutschlands anzunehmen, ein „Museum der Erinnerung“ für die zahlreichen Opfer des peruanischen Bürgerkrieges Ende des vergangenen Jahrhunderts zu errichten.
Das Angebot für den Bau des Museums und seinen Unterhalt in Höhe von über 2 Millionen US-$ (die peruanische Volksanwältin Merino spricht von € 1,65 Mio) hatte die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul im vergangenen März nach dem Besuch einer Fotoausstellung über die Schrecken des Bürgerkriegs in Lima gemacht.
García: Bericht der Wahrheitskommission nur eine Meinung unter vielen
Die peruanische Regierung hatte das Vorhaben aber abgelehnt. Verteidigungsminister Antero Flores erklärte gegenüber der BBC, ein Museum würde sowieso niemandem nützen. Premierminister Yehude Simon gab dagegen bekannt, man habe das Angebot nicht abgelehnt, wolle das Geld aber lieber für Reparationszahlungen an die Opfer des Bürgerkrieges verwenden. Nicht festlegen wollte sich auch Präsident Alan García. Gegenüber Fernsehreportern sagte García, es gebe neben dem Bericht der peruanischen „Kommission für Wahrheit und Versöhnung“ (CVR) – auf dem die Ausstellung beruhte, die die deutsche Ministerin besucht hatte - noch „hunderttausende andere“ Meinungen und Ansichten zu den Geschehnissen in den letzten 20 Jahren des 20. Jahrhunderts. Indirekt warf er der deutschen Initiative vor, ein einseitiges Projekt zu planen.
Damit reiht sich García in die Reihe derer ein, die an dem Bericht der Kommission vor allem kritisieren, er würde die Leiden der Polizisten, Militärs und lokalen Autoritäten während des Bürgerkrieges ausklammern. Er klammert sie aber nicht aus.
Dem Bericht zufolge kamen durch den Konflikt mit Terrorgruppen wie MRTA oder Sendero Luminoso rund 70.000 Menschen ums Leben. Fast die Hälfte davon durch die peruanischen Streit- und Sicherheitskräfte.
„Museumsstreit“ fördert schon jetzt die Erinnerung
Wie der Streit ausgehen wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Die peruanische Volksanwaltschaft (Ombudsman) „Defensoría del Pueblo“, unter deren Regie das Museum gebaut und betrieben würde, plädierte für das Projekt.
Gleichzeitig ist der Streit ein Zeichen dafür, dass noch zahlreiche offene Wunden vorhanden sind – und Politiker, die möglicherweise Angst davor haben, dass auch ihre dunkle Geschichten vom Ende des 20. Jahrhunderts noch ans Licht kommen. Dabei wurde dieser „Erinnerungsschub“ nicht allein von dem Museumsprojekt ausgelößt. Auch der Film der peruanischen Regisseurin Claudia Llosa, der vor dem Hintergrund der politischen Gewalt spielt, sorgt für Gesprächsstroff. Und nicht zuletzt das anstehende Urteil gegen den peruanischen Ex-Diktator Alberto Fujimori sorgt bei vielen seiner Anhänger für blank liegende Nerven. Wie auch der Prozess gegen Fujimori ist dieser Museumsstreit einer, der nur Pate steht für viel tiefer liegende Probleme. Aber allein der Streit hat einiges bewegt – schon lange war das Thema „Erinnerung“ nicht mehr so präsent in der peruanischen Öffentlichkeit.
Der offene Brief an die peruanische Regierung:
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