Dieser Tage begann RENIEC, die peruanische Institution zur Verwaltung des Personenstandsregisters, Unregelmäßigkeiten in der Häufigkeit von Wohnortwechsel nachzugehen. Der Zeitpunkt ist nicht zufällig gewählt, denn 2010 ist in Peru ein Wahljahr, auf lokaler, Provinz- und Regionalebene werden Bürgermeister, Gemeinderäte und Regionalpräsidenten bestimmt. Um einen solchen Posten zu erringen, haben findige Kandidaten ein – in Peru verbotenes – System etabliert, das unter dem Namen „Voto Golondrino“ bekannt ist, was auf Deutsch etwa Schwalben-Wählerstimme bedeutet.
Schwalben-Wähler wandern in den Monaten vor der Wahl von einem Wahlkreis in einen anderen, um den dortigen Kandidaten oder die dortige Kandidatin zu unterstützen, ohne jedoch einen „echten“ Wohnsitz vor Ort zu haben. Gründe, bei einer solchen Aktion mitzumachen gibt es viele, der Nobelste ist noch, wenn die „Schwalbe“ an ihrem alten Heimatort den „richtigen“ Kandidaten unterstützen möchte. Andere sind Familienangehörige der Kandidaten oder erhalten Geld, Grundstücke oder andere Gefälligkeiten. Dafür müssen sie ihren Personalausweis, „Documento Nacional de Identidad“ (DNI), entsprechend ändern lassen. Bei den vergangenen Wahlen gab es zahlreiche Berichte über diese Art von „Schwalben“, in mehreren Fällen kam es im Anschluss an die Wahl zu Ausschreitungen, da andere Parteien Wahlbetrug vermuteten. So stürmten aufgebrachte Anwohnerinnen und Anwohner 2006 in Chalamarca (Prov. Chota / Reg. Cajamarca) den Sitz der provisorischen Wahlbehörde und zerstörten die Wahlurnen. Anschließend wurde auch das Gesundheitszentrum und das Rathaus besetyt. Die Wahlen mussten 2007 wiederholt werden.
Besonders in kleinen Distrikten kann eine Horde Schwalben das Wahlergebnis stark beeinflussen. Gibt es nur wenige hundert Wähler, können sie durchaus ein Wahlergebnis ausmachen. Das zeichnet sich nun auch für die diesjährigen Wahlen ab. In 16 Distrikten hat RENIEC Untersuchungen eingeleitet. Zuvor war zwischen Juli 2008 und Juni 2009 – ein Jahr mit nur wenigen Wahlen – der Durchschnitt der Umzüge aus und in einen Distrikt erhoben worden. Damit verglichen die Statistiker die Wohnortänderungen von Juli 2009 bis Januar 2010 – und wurden überrascht. Um bis zu 80% hatte sich die Zahl der Wohnortänderungen in manchen Distrikten erhöht – für RENIEC-Chef Eduardo Ruiz Botto ein klares Anzeichen für „Schwalben“. Um ganz sicher zu gehen, wird nun in 16 Distrikten überprüft, ob die umgemeldeten Personen auch wirklich ihren festen Wohnsitz am Ort haben. Am 6. Juni werden dann die endgültigen Wählerlisten („Padrón Electoral“) festgelegt.
Wird eine „Schwalbe“ entdeckt, wird ihr letzter Wohnortwechsel sofort außer Kraft gesetzt. Für den „Anstifter“ sieht der Artikel 359, Absatz 8 des peruanischen Strafgesetzbuches eine Haftstrafe zwischen zwei und acht Jahren vor. Die Distrikte mit dem höchsten vermuteten „Schwalben-Anteil“ liegen in Amazonas, Moquegua, Ancash, Arequipa und Huánuco.
Insgesamt rund 12.000 „atypische“ Wohnortwechsel wurden bis Ende Januar registriert. Besonders „umzugsfreudig“ zeigte sich beispielsweise der Distrikt „Churuja“ (Prov. Bongará / Region Amazonas). Bei der Volkszählung 2007 wurden hier insgesamt 272 Personen registriert. Seit vergangenem Juli ist nach Angaben des RENIEC die Zahl der „Einwohner“ im wahlfähigen Alter um 249 Personen angewachsen. Im Distrikt San Cristóbal (Prov. Mariscal Nieto / Region Moquegua) stieg die Zahl der Wahlberechtigten im Untersuchungszeitraum um 518 Personen – eher ungewöhnlich für einen Distrikt, der vor der Untersuchung über 2.991 Wahlberechtigte verfügte. Ähnliches passierte auch in Cholón (Prov. Marañón / Region Huánuco, von 2.971 auf 3631) und Cahuac (Prov. Yarowilca / Region Huánuco, von 1.617 auf 2.019).
Die Wahlen finden am 3. Oktober 2010 statt.