Kein Artikel über die peruanischen Präsidentschaftswahl (inklusive vieler INFOAMAZONAS-Beiträge) konnte darauf verzichten: Das Zitat des peruanischstämmigen Schriftstellers und Politikers Mario Vargas Llosa, der im Mai 2009 in einem Interview erklärt hatte: „Ich denke nicht, dass meine Landleute so töricht sein werden, uns in das Dilemma zu bringen, zwischen Aids und Krebs im Endstadium entscheiden zu müssen, was Humala und Keiko Fujimori wären.“ Vielleicht haben die beiden auch deshalb so gut abgeschnitten, weil Vargas Llosa in Teilen der peruanischen Gesellschaft nicht sehr beliebt ist, vielleicht hatte er mit dem Satz eine selbsterfüllende Prophezeihung geschaffen.
Wie dem auch sei, in Zukunft werden Artikel zum Thema auf INFOAMAZONAS zumindest bis zur zweiten Wahlrunde am kommenden 5. Juni frei von den Begriffen „Aids“, „Krebs“ und „kleineres Übel“ sein. Der Grund: Sie beschreiben vielleicht die Lage nicht schlecht, sind aber für die Zukunft unnötig wie ein Kropf und helfen nicht weiter. Ein Beispiel: Würde sich die absolute Mehrheit der wahlberechtigten Peruaner am 5. Juni für Ollanta Humala als „Krebs im Endstadium“ entscheiden, wäre er dennoch für fünf Jahre gewählt und Freund wie Feind müsste mit ihm Leben. Da er von großen Teilen der peruanischen „Linken“ unterstützt wird, ist nicht davon auszugehen, dass sich das Militär für eine Art „Selbstputsch“ – so wie Fujimori in den 90er Jahren – hinter ihn stellen würde. Also müsste er versuchen, seine Themen im Parlament durchzusetzen. Da seine Partei dort über keine Mehrheit verfügt, wären Alianzen unumgänglich. Ohne Zugeständnisse an andere Parteien ist das unmöglich. Wäre die Konsenssuche zwischen demokratischen Parteien Krebs im Endstadium, gäbe es die Schweiz längst nicht mehr.
Ähnlich nutzlos ist das mit dem „kleineren Übel“, dem „mal menor“, das bereits bei der vergangenen Präsidentschaftswahl heraufbeschworen wurde und Peru fünf Jahre Alan García bescherte. Wie auch damals kocht derzeit die Gerüchteküche venezolanisches Geld für Humalas Wahlkampagne. Aus wirtschaftlicher Perspektive sehen nicht zuletzt deshalb insbesondere die wirtschaftsliberalen ehemaligen Präsidentschaftskandidaten das kleinere Übel in Keiko Fujimori. Auf anderen Feldern wird Ollanta Humala als kleineres Übel benannt. Wer nun wissen will, wo er oder sie denn am 5. Juni sein Kreuzchen setzen sollte, dem hilft die Frage nach dem kleineren Übel nicht weiter. Wer wissen will, wo er oder sie am 5. Juni sein Kreuzchen setzen sollte, dem würde es eher helfen, sich die Wahlprogramme etwas genauer anzuschauen. Und sich dann nicht gegen, sondern für eine der Optionen zu entscheiden.
Natürlich kann trotz aller Beteuerungen nicht ausgeschlossen werden, dass eine Regierung Fujimori Verbrecher der Fujimori-Diktatur begnadigt oder eine Regierung Humala protektionistische Maßnahmen ergreift. Da aber in jedem Fall eineR von beiden gewinnen wird, wäre nun die Zeit, sich dafür einzusetzen, dass den derzeitigen moderaten Tönen nach der Vereidigung am 28. Juli auch moderate Taten folgen. Möglichkeiten dafür gibt es, denn der/die GewinnerIn wird auf Unterstützung angewiesen sein und die peruanische Zivilgesellschaft hat nicht zuletzt am Ende der Fujimori-Diktatur gezeigt, wie stark sie sein kann. Radikale Maßnahmen können sich weder Keiko noch Humala erlauben, denn das mögen die -egal für welche Regierung- sehr wichtigen ausländischen Investoren gar nicht.
Sollten AIDS, Krebs und andere Übel also in den kommenden Wochen doch noch einmal Themen werden, dann nur im Bereich „Gesundheitspolitik“. Da gehören sie hin.