Mit ernstem Gesicht stellte der Direktor der peruanischen Nationalbibliothek (BNP) Ramón Mujica kürzlich das erschreckende Ergebnis einer Teilinventur historischer Bücher vor. Obwohl nur rund 300.000 Werke überprüft wurden – von mehr als 8 Millionen -, stießen die BNP-Mitarbeiter auf etwas, das Mujica als „systematischen Verlust“ bezeichnet: 935 historische Dokumente und Bücher sind nicht mehr aufzufinden. Darunter auch ein Originalexemplar eines Quechua-Wörterbuches, das Anfang des 17. Jahrhunderts von dem spanischen Jesuiten Diego Gonzáles Holguín verfasst wurde und damit eines der ersten in Peru gedruckten Bücher war, sowie ein 1524 in Paris gedrucktes Werk Erasmus‘ von Rotterdam.
Nun versucht die BNP, mit einer internationalen Kampagne die Schriftstücke zurückzubekommen. So kündigte Bibliotheksdirektor Mujica an, in den kommenden Tagen eine Liste der 935 fehlenden Exemplare im Internet zu veröffentlichen. Insbesondere Experten oder Sammler sollen dazu bewegt werden, die Dokumente zurückzugeben. Einen ersten Erfolg konnte die BNP dabei schon verbuchen: So reisten Mitglieder einer chilenischen Familie extra in die peruanische Hauptstadt Lima, um 30 Werke des peruanischen Schriftstellers Ricardo Palma zu übergeben, zwei davon handsigniert. Nach eigenen Angaben waren die Bücher Teil einer Erbschaft. 30 weitere Bücher sollen in den kommenden Tagen übergeben werden – die derzeitigen Besitzer haben die Rückgabe angekündigt, warten aber aus Angst, wegen des Besitzes der gestohlenen Bücher angezeigt zu werden, noch ab.
Auch für diejenigen, die wissentlich auf illegalem Wege in den Besitz der Stücke gekommen sind und deshalb nicht einfach bei der Bibliothek vorsprechen wollen, hat sich die Büchereileitung etwas ausgedacht. So können die „verlorenen“ Bücher anonym in drei geschlossenen Konventen der Erzdiözese Lima abgegeben werden.
Parallel zur Kampagne „Se Buscan“ wird die Bibliothek nun mit neuen Sicherheitseinrichtungen im Wert von 5 Millionen Nuevos Soles ausgestattet. Künftige Diebstähle sollen damit erschwert werden. Videoüberwachung gab es in der historischen Abteilung schon länger – abschreckend wirkte diese allerdings offensichtlich nicht. Lediglich einzelne Diebstähle wie der des Werkes „Una vida de Santo Toribio de Mogrovejo“ von 1679 durch einen Wachmann konnten dadurch bislang aufgeklärt werden.
In diesem Jahr feiert die peruanische Nationalbibliothek ihren 190. Geburtstag.