Nimmt man die Anzahl der Notfalldekrete, die während seiner zweiten Amtszeit (2006-2011) erlassen wurden, scheint die Zeit der Regierung des peruanischen Ex-Präsidenten Alan García sehr gefährlich gewesen zu sein. Durchschnittlich alle 4,6 Tage wurde ein solches Dekret erlassen, insgesamt 383 Stück. Notfalldekrete haben in Peru den Rang eines Gesetzes, brauchen aber nicht die Zustimmung des Kongresses.
Die unter Anderem mit dem Rechtssystem befasste Nichtregierungsorganisation Instituto de Defensa Legal (IDL) forderte nun das Parlament auf, die Rücknahme oder Korrektur dieser Notfalldekrete in die Wege zu leiten. Diese gingen zurück auf einen „Missbrauch der gesetzgebenden Möglichkeiten der exekutiven Gewalt“, so Aldo Blume Rocha, der für das IDL-Projekt „Justicia Viva“ eine Studie zum Thema erstellte. Die Möglichkeit, Notfalldekrete zu erlassen, ist in der peruanischen Verfassung vorgesehen, um im Krisenfall schnell reagieren zu können. Die Regierung unter Präsident García nutzte die Möglichkeit allerdings sehr weitreichend. So wurde beispielsweise der Bau des Nationalstations in der Hauptstadt Lima ohne Notwendigkeit als „Notfall“ deklariert. Auch das Verbraucherschutzgesetz wurde kurz nach seiner Verabschiedung im Kongress auf Wunsch verschiedener Fluglinien per Notfalldekret abgeändert. Alles Fälle, die, so Blume Rocha, auch über den Weg der normalen Gesetzgebung, also über den Kongress, hätten bearbeitet werden können, da es sich nicht um Notfälle handelte.
Interessant ist auch ein weiterer Punkt der Untersuchung. So erließ die Regierung während der 5 Jahre García-Regierung insgesamt 525 Normen mit Gesetzesrang und damit fast so viele wie der – eigentlich für die Gesetzgebung zuständige – Kongress, der auf 672 Gesetze kam. Die IDL-Studie sieht damit das in der Verfassung verankerte Prinzip der Gewaltenteilung außer Kraft gesetzt.
Dabei sind nicht alle 525 Gesetzesdekrete als Notfalldekrete zustandegekommen, weswegen „Justicia Viva“ sich in seiner Forderung auf die 383 Notfalldekrete beschränkt. So delegierte der peruanische Kongress auch wiederholt Gesetzgebungskompetenzen an die Regierung, beispielsweise, um das peruanische Recht an das Freihandelsabkommen mit den USA anzupassen. Einige der so entstandenen Gesetze überlebten die García-Regierung nicht. So wurde 2009 ein von der Regierung dekretiertes Forstwirtschaftsgesetz im Kongress zurückgenommen, nachdem bei der gewaltsamen Auflösung einer Straßenblockade streikender Indígena bei Bagua („Baguazo“) mindestens 34 Personen getötet worden waren. Bei dem Beschluss des Forstwirtschaftsgesetzes war nicht nur das Parlament umgangen worden. Nach dem von Peru ratifizierten Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hätte zuvor auch die Meinung betroffener indigener und bäuerlicher Gemeinschaften eingeholt werden müssen.
Sollte sich der Kongress der Notfalldekrete nun nicht annehmen, plant IDL bereits, das peruanische Verfassungsgericht anzurufen.
Die vollständige Studie kann bei Justicia Viva eingesehen werden.