Mehrmals jährlich prämiert die staatliche peruanische Volksanwaltschaft die Regionalregierungen und Stadtverwaltungen, die das transparenteste und aktuellste Internetportal vorweisen. Regelmäßig schneidet dabei die nordostperuanische Regenwaldregion San Martín am besten ab, seit 2010 liegt die Region Amazonas an zweiter Stelle. Auch an Moquegua und Apurímac als Schlusslichter hat man sich bereits gewöhnt. Ein gutes Abschneiden wird von Bürgermeistern und Regionalpräsidenten als Propaganda genutzt, ein schlechtes als Wahlkampffutter für die Opposition, die Amtsinhabern öffentlichkeitswirksam „mangelnde Transparenz“ vorwerfen kann.
Im Grunde genommen ist Peru – wenn man einmal vom Datenschutz absieht – im Bereich E-Governement ganz weit vorne. Es gibt strenge Vorgaben, wer was wann und in welcher Form auf seiner offiziellen Internetseite zu veröffentlichen hat. Städten, die sich keinen Programmierer leisten können oder wollen, werden fertige Seiten zur Verfügung gestellt, deren Inhalte dann nur noch in vorgefertigte Formulare eingetragen werden müssen. Möchte man beispielsweise die Bilanzsumme verschiedener Städte vergleichen, findet man entsprechende Zahlen immer an der selben Stelle. Und die Wahlbehörde ONPE träumt schon seit Jahren von Wahlen über Internet.
Überhaupt sind der Phantasie der online-Verantwortlichen peruanischer Institutionen keine Grenzen gesetzt: Glaubt ein Ladenbesitzer, einen gefälschten Ausweis vorgelegt zu bekommen, kann er im Internet innerhalb von Sekunden überprüfen, ob die Daten mit der Einwohnermeldebehörde übereinstimmen. Vor einer Wahl kann ein Wahlberechtigter mit seiner Ausweisnummer nachschauen, in welchem Wahllokal er wählen muss – oder ob er dem Staat noch Geld schuldet, weil er einmal die Wahlpflicht ignorierte. Eine Frau kann per Smartphone nachprüfen, ob der junge Mann, der ihr im Café gegenübersitzt, einer anderen Frau noch Alimente schuldet. Und auch, wenn Busse eines bestimmten Reiseunternehmens regelmäßig die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 90km/h überschreiten, ist diese Information nur einen Klick entfernt. Soweit die theoretischen Möglichkeiten.
Denn in der Praxis helfen ausführliche Daten auf einer Internetseite einer Distriktverwaltung wenig, wenn beispielsweise der einzige internetfähige Computer im Distrikt im Rathaus steht. Den Bürgerinnen und Bürgern des Distriktes wäre wohl mehr geholfen, wenn die entsprechenden Tabellen ausgedruckt am schwarzen Brett hängen würden. Ähnlich sieht es im Bildungsbereich aus: Seit Antritt von Bildungsministerin Patricia Salas müssen die Noten von Schülerinnen und Schülern vor der Zeugnisausgabe in ein Internetsystem eingetragen werden. Kurz vor Ende der Frist brach das System mehrmals wegen Überlastung zusammen, der Zugang wurde auf bestimmte Uhrzeiten begrenzt. Die Folge: Lehrer kleiner Dorfschulen mussten in die nächstgelegene Stadt reisen und dort -auf eigene Kosten- einen Computer mieten. Das ist nicht immer einfach, war beispielsweise im Dezember 2011 in der Region Amazonas der Zugang auf den Zeitraum 21-1 Uhr beschränkt. Normale Internetcafés sind da längst geschlossen.
Erschreckend ist dabei nicht so sehr, dass eine bevölkerungsmäßig kleine und ländlich geprägte Provinz wie Chachapoyas (Region Amazonas) mit ihrer Internetseite lediglich 37% der Vorgaben erfüllt (Schlusslicht Tambopata: 0%), sondern dass beispielsweise die Hauptstadt Lima mit enormen finanziellen und personellen Möglichkeiten bis vor wenigen Monaten nur auf 86% kam. Ausnahmen bestätigen die Regel: Huamanga (Region Ayacucho) erreichte Ende 2011 100%.
In der Region Moquegua, wo nur 37% der Vorgaben zum E-Government umgesetzt wurden, verfügen 60% der Haushalte im ländlichen Raum über keinen Anschluss an das Stromnetz, in den Städten der Region sind es immerhin 20%. In Apurímac (44%) ist die Situation ähnlich. Obwohl es im kontrollfreudigen Lima bestimmt gut ankommen würde, wenn auch das letzte Dorf der Region seine Internetseite aktuell hielte, überlegt sich wohl jeder Bürgermeister gut, ob er sich, seine Mitarbeiter, seine Zeit und die ihm zur Verfügung stehenden Mittel nicht besser dazu nutzt, Anträge für den Bau von Stromleitungen zu schreiben. A propos Anträge: Das zentrale System, in das regelmäßig der aktuelle Stand von Projekten eingetragen wird, ist natürlich auch nur online verfügbar – und wird von Regionalpräsidenten und Bürgermeistern regelmäßig als Hemmschuh bezeichnet, der die Durchführung der Projekte selbst weiter verlangsamt.
Die Volksanwaltschaft selbst, die regelmäßig das Ranking erstellt, hält sich deshalb auch ausdrücklich zurück, die Umsetzung der E-Government-Vorgaben als Indikator für eine generell schlechte Arbeit von Regionalregierungen oder Stadtverwaltungen zu werden. Es handle sich um einen „wichtigen Indikator für die Umsetzung der Gesetze zur Transparenz und den Zugang zu Informationen, zu dem Regionalregierungen und Stadtverwaltungen verpflichtet“ seien, gebe aber keine Auskunft über eine „generell gute oder schlechte Amtsführung“, so Mónica Callirgos, die das Ranking für die Volksanwaltschaft erstellte.
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