Perus Parlament beschließt härtere Strafen für Landbesetzer

Der peruanische Kongress (Congreso de la República). Foto: D. Raiser / INFOAMAZONAS

Der peruanische Kongress. Foto: D. Raiser / INFOAMAZONAS

Personen, die illegal Land besetzen, um darauf zu leben oder es weiter zu verkaufen, sollen künftig schärfer bestraft werden. Das hat vergangene Woche der peruanische Kongress beschlossen. So wurden mehrere Passagen des Strafrechts, sowie der Strafprozessordnung so abgeändert, dass Landbesetzer und -räuber künftig mit zwei bis fünf Jahren Haft bestraft werden können. Im besonders schweren Fall, also wenn bei der Landbesetzung beispielsweise Sprengstoffe oder Waffen benutzt werden, Angehörige des öffentlichen Dienstes beteiligt sind oder staatliches Eigentum oder archäologische Stätten besetzt oder beeinträchtigt werden, sind gar bis zu 10 Jahren Haft vorgesehen.

108.000 Häuser auf besetzten Grundstücken allein in Lima

Damit möchten die Abgeordneten einem Problem begegnen, das in ganz Peru um sich greift und regelmäßig zu Konflikten führt: die Invasion von privaten oder öffentlichen Grundstücken, um dort selbst zu bauen, oder das Grundstück weiter zu veräußern. Die Zahlen sprechen für sich: Bei der Volkszählung 2007 gaben die Besitzer von 5,5% aller peruanischen Hausbesitzer an, auf besetztem Land zu leben – in Wirklichkeit liegt die Zahl wahrscheinlich noch höher. Allein in der Hauptstadt Lima sind es offiziell rund 108.000*. Häufig sind die Landbesetzer mittellose Landbewohner, die sich in der Stadt erhoffen, an dem überall propagierten wirtschaftlichen Aufschwung teilzuhaben, jedoch nicht über ausreichend Mittel verfügen, ein Grundstück legal zu erwerben. In wenigen Fällen handelt es sich dabei um Einzelaktionen, meist aber um von zwielichtigen Geschäftemachern geplante Invasionen im großen Stil. Denen hatte der Staat bislang kaum etwas entgegen zu setzen, weswegen dieser illegaler Geschäftszweig der „Land-Dealer“ („Traficante de Tierras“) geradezu florierte.

Ist ein Grundstück bereits mehrere Male weiterverkauft, wird es immer schwieriger, dieses wieder dem ursprünglichen Besitzer zu übergeben. Viele Behörden gehen deshalb dazu über, zu schauen, wie der Grundstücksbesitz dann nachträglich legalisiert werden kann. In manchen Fällen kommt es zu nachträglichen Kaufverträgen. Ganze Stadtviertel, die unreguliert und häufig ohne jegliche Stadtplanung vor sich hinwuchsen, wurden mit der Zeit – auch, weil ein ganzes Stadtviertel nicht einfach problemlos umgesiedelt werden kann – zu „echten“ Stadtvierteln erklärt, denn in den jungen Invasionsvierteln, in Peru „Asentamientos Humanos“ genannt, darf der Staat eigentlich keine Infrastruktur wie Schulen, Wasserleitungen oder Stromanschlüsse bauen und legen. Dort, wo die Eigentumsfragen zumindest oberflächlich geklärt sind, nimmt sich dann eine eigene Behörde (COFOPRI) des Problems an.

Bis Urteile gesprochen werden, sind Fakten geschaffen

Sobald Präsident Ollanta Humala das nun verabschiedete Gesetz unterzeichnet, können Richter die rasche Räumung der betroffenen Grundstücke anordnen. Auch das war bislang problematisch: Ein Urteil ließ oft Monate oder gar Jahre auf sich warten, bis zu seiner Verkündung waren dann bereits Fakten geschaffen, Häuser gebaut und provisorische Wege angelegt. Vielerorts sind sogar bereits, in beeindruckender Eigeninitiative errichtet, Stromleitungen und Anschlüsse an das Kabelfernsehen vorhanden. Für den Abgeordneten Gustavo Rondón Fudinaga (Solidaridad Nacional) ein Unding. Die organisierte Besetzung fremder Grundstücke zur Geschäftemacherei sei „eine Straftat, die fahrlässig mit Hoffnungen spiele“, so Rondón Fudinaga in der Parlamentsdebatte.

Aber auch die neuen Regelungen lassen wohl noch immer das eine oder andere rechtliche Schlupfloch, das den Besetzungs-Planern, die richtig viel Geld verdienen, ihre Arbeit auch künftig ermöglichen wird. Beispielsweise wird eine Lücke nicht geschlossen, nämlich die, was passiert, wenn der Landbesitzer gar nicht klagt. Was sich zunächst paradox anhört, macht Sinn, wenn man an Grundstücke denkt, die durch den Staat als „unbebaubar“ oder „unbewohnbar“ deklariert wurden, beispielsweise, weil sie in Bachnähe liegen und regelmäßig von Hochwassern betroffen sind. Solche Grundstücke, normalerweise schwer verkäuflich, kann der ursprüngliche Besitzer so noch an den Mann oder die Frau bringen, in der Hoffnung, dass die Ansiedlung nachträglich genehmigt wird und er doch noch Geld für seine Grundstücke sieht. Wer einmal aus der Hauptstadt Lima in jedweder Richtung in die Anden fährt, erkennt bald, dass viele der Siedlungen am Stadtrand wohl auf legalem Wege so niemals genehmigt worden wären.

Auch können Landbesetzer manchmal mit Sympathien rechnen, beispielsweise wenn das Grundstück selbst auf nicht ganz durchsichtigen Wegen in Besitz gebracht wurde oder die Besitzer wirkliche oder gefühlte Wucherpreise verlangen. Zudem geht vielerorts geht die Ausweisung neuer Baugebiete -wenn überhaupt- nur schleppend voran. Ist es dann soweit, haben sie häufig Preise, die für Zuzugswillige auserhalb des bezahlbaren liegen.

„endemisches Problem“

Damals Plastikplanen, heute Hütten: Invasión 16 de Oktubre in Chachapoyas. Foto: MPCH.

Damals Plastikplanen, heute Hütten: Invasión 16 de Oktubre in Chachapoyas. Foto: MPCH.

Doch nicht nur die Hauptstadt Lima ist betroffen, in den meisten peruanischen Städten greift dieses „endemische Problem“, wie es Alberto Beingolea, Vorsitzender der Justizkommission des peruanischen Kongresses, nannte, um sich. Selbst in der Stadt Chachapoyas (Region Amazonas) kam es bereits mehrfach zu illegaler Landnahme – bislang wurde nachträglich immer aufs neue legalisiert. Derzeit ist ein weiterer Fall anhängig. In der Hafenstadt Chimbote (Region Áncash), nördlich von Lima, wurde der ungeplante Bau eines Stadtviertels seinen Bewohnern zum Verhängnis: dort brannte vor wenigen Monaten fast ein ganzes „Asentamiento Humano“ nieder. Dass es dort keine Todesopfer zu beklagen gab, war dabei vor allem eines: Glück.

Mit dem verabschiedeten Gesetz wurde ein wichtiges Thema angegangen. Gelöst ist es damit aber noch nicht, sind doch hunderttausende Peruanerinnen und Peruaner direkt davon betroffen. Perus Gefängnisse sind sowieso chronisch überfüllt, die Bevölkerung wächst und die anhaltende Landflucht wird auch weiterhin dazu beitragen, dass mittellose Land- und Stadtbewohner am Rand der Städte nach einer besseren Zukunft suchen – und, dass den „Land-Dealern“ das Geschäft nicht ausgeht.

 

* Anzahl Häuser auf besetztem Grundstück: Lima (107.591), Piura (71.148), La Libertad (23.489), Callao (18.463) – Daten: INEI (2007) .

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