Eigentlich sollte das Gas aus dem Projekt Camisea Peru energetisch unabhänig machen. Tausende Autos wurden in den vergangenen Jahren teils mit staatlicher Förderung auf Erdgas umgerüstet, gigantische Gaskraftwerke gebaut und in der Hauptstadt Lima mit dem Bau fester Gasleitungen begonnen. Alfredo Dammert, ehemals Chef der Energie- und Bergbau-Aufsichtsbehörde OSINERGMIN, malte heute den Teufel an die Wand: Peru müsse sich auf häufige Stromausfälle einstellen, wenn die Regierung es nicht schaffe, die Gas-Pipeline in die Hauptstadt Lima zu sichern. Der Hintergrund: Anhänger der Terrororganisation Sendero Luminoso haben ihren Aktionsradius auf die Provinz La Convención in der peruanischen Region Cusco ausgeweitet – dort, wo das Gas gefördert wird.
Erinnerungen an die Zeit der Stromausfälle
Noch heute erinnern sich Limeninnen und Limenen an die 80er und 90er Jahre, als es in der peruanischen Hauptstadt zu Terroranschlägen des Sendero Luminoso (dt. leuchtender Pfad) kam, viele davon gezielt auf Strommasten, andere auf Polizeistationen, Banken, Lagerhallen, Geschäfte, Parteizentralen oder Rathäuser. Häufig waren ausgedehnte Stromausfälle die Folge. Der Abschlussbericht der Wahrheits- und Versöhnungskommission (CVR), der sich damit befasst, ließt sich beklemmend. Von Hunden, die -teils mit Hammer und Sichel bemalt- tot von Straßenlaternen herabbaumeln und von Menschen wie der Vizebürgermeisterin von Villa el Salvador (VES) María Elena Moyano und anderen Stadtteilvertreterinnen und -vertretern, die gleich dutzendweise grausam ermordet wurden. Das sind die Erinnerungen an die Zeit der Stromausfälle. Und diese neu zu schüren, war wohl einer der Hintergedanken der Terroristen, die am vergangenen Samstag auf dem Flugfeld von Kiteni in der Provinz La Convención drei Hubschrauber in Brand gesetzt haben.
Geht es Sendero doch nur um Geld?
Oder ging es vielleicht doch „nur“ um Schutzgeld? In der peruanischen Presse wird den Anhängern der Sendero Luminoso-Fraktion im Tal der Flüsse Apurímac, Éne und Mantaro (VRAEM), die nun offenbar eine neue Strategie fährt, nachgesagt, sich längst von ursprünglich maoistischen Zielen entfernt und zu einer Art Söldnerbande im Drogengeschäft entwickelt zu haben. Als Anfang April rund 40 Mitarbeiter des Camisea-Konsortiums als Geiseln genommen wurden und die Entführer ihre Geiseln nach einigen Tagen alleine zurück ließen, sprach die Regierung von einem Erfolg militärischen Drucks, während Beobachter darüber spekulierten, wie viel die Freilassung wohl gekostet haben möge. Die Forderung der Terroristen damals: 10 Millionen US-Dollar, Sprengstoff, Zünder, Handys oder Funkanlagen, sowie Kleidung.
Konsortium zieht Mitarbeiter ab
Der Brandanschlag am Samstag könnte also auch eine drastische Aufforderung zur Zahlung von Schutzgeld gewesen sein. Was auch immer der Hintergrund war: Teile des Camisea-Konsotriums ziehen bereits Konsequenzen. Die für die Pipeline zuständige Transportadora de Gas del Perú (TGP) kündigte heute an, ihre Operationen künftig von Malvinas und Quillabamba aus zu organisieren. Dabei geht es vor allem um Reparaturen an der Pipeline. Man sehe sich zudem nicht mehr in der Lage, in einigen Abschnitten für die Einsatzfähigkeit zu garantieren, so TGP in einer Pressemitteilung. Die drei Hubschrauber wurden von den TGP-Mitarbeitern für ihre Arbeiten genutzt. Auch Fedia Castro Melgarejo, Bürgermeisterin der Provinz La Convención, forderte einen besseren Schutz der Infrastruktur. Das größte Gasförderungsprojekt des Landes sei sonst in Gefahr, so Castro Melgarejo.
Regierung in Aufruhr
Obwohl es bislang keine terrorbedingten Stromausfälle gab, haben die Anschläge auch in Lima bereits für Chaos gesorgt, vor allem in der Regierung von Präsient Ollanta Humala. Denn die hat trotz der Präsentation einiger „Terror-Köpfe“ in den vergangenen Monaten offenbar noch keinen Weg und keine Strategie gefunden, den Quispe Palomino-Clan, der hinter der VRAEM-Fraktion des Sendero Luminoso steht, hinter Gitter zu bringen. Und 730 Kilometer Pipeline bieten reichlich Angriffsfläche.
SNMPE: Investieren weiter im Land
Vom Camisea-Konsortium selbst gibt es trotz der Anschläge bislang allerdings noch keine Stimmen, die auf einen Rückzug hindeuten. Vielmehr kündigte der Lobbyverband der Bergbau-, Mineralöl und Energiewirtschaft (SNMPE) an, seine Mitglieder werden weiter im Land investieren. Dafür, so der Verband, müsse der Staat aber die notwendigen Schritte ergreifen, die Sicherheit zu gewährleisten. Ohne dabei, was das Vorgehen gegen den Terror angeht, wie in den 80er und 90er Jahren in Exzesse zu verfallen, möchte man da anmerken.
NACHTRAG (11.10.2012): Sicherheitskräfte unterließen Bewachung offenbar auf Bitten von CAMISEA
Wie sowohl die peruanische Regierung, als auch das TgP-Konsortium gestern einräumten, wurde der Flugplatz offenbar auf Bitte des Konsortiums nicht von den peruanischen Sicherheitskräften überwacht worden. TgP befürchtete offenbar, dadurch erst zu einem Angriffsziel zu werden. Verteidigungsminister Cateriano erklärte gestern, das sei „unintelligent“ gewesen.
Kiteni liegt zwar nicht im VRAEM, das Thema hat aber damit zu tun. Nähere Informationen zum Thema finden Sie daher auch in den Beiträgen „Das VRAE heißt nun VRAEM“, sowie „Peru: Was ist und wo liegt das VRAE?“