Außer ihr und ihrem Mann haben es alle wortreich dementiert: Die Frau des peruanischen Präsidenten Ollanta Humala, Nadine Heredia, wird nicht als Kandidatin zur nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 antreten. Offenbar etwas zu wortreich: Anstatt langsam abzuebben nimmt die Lautstärke der Spekulationen in der Presse weiter zu.
Die 36jährige Nadine Heredia gilt seit der Amtsübernahme ihres Mannes im Juli 2011 als diejenige, die wirklich die politischen Strippen im Lande zieht. Werden Ministerinnen und Minister berufen oder entlassen – politische Analysten suchen zunächst nach Verbindungen zur Familie Heredia. Wird ein Abgeordneter – wie in der vergangenen Woche der linke Javiér Diez Canseco – von der Ethik-Kommission des Parlaments sanktioniert, wird auch dahinter die First Lady vermutet.
„Wo ist meine Ministerin?“
Alles Übertreibung? Aus dem Nichts kommen die Gerüchte nicht: Bei politischen Konflikten ist Nadine Heredia häufig diejenige, die als erste öffentlich reagiert – vor ihrem Mann, vor Premierminister Juan Jiménez. Bei der Zahl der Pressemitteilungen liegen Präsident und First Lady ungefähr auf gleicher Höhe – die schöneren Bilder liefert aber ohne Frage die zweitere. Dem Ganzen setzte dann Heredia, die unter anderem in Paris Politikwissenschaft studierte, selbst den Hut auf: Auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit Bildungsministerin Patricia Salas fragte sie vor laufenden Kameras: „Wo ist meine Ministerin?“ – eine Szene, die seitdem fast wöchentlich in Karikaturen aufgegriffen wird.
Isaac Humala über Schwiegertochter: „beschwipst von der Macht“
A propos Kameras: Sind Fernsehreporter oder Fotografen in der Nähe, setzt die First Lady sofort ihr typisches Nadine-Heredia-Grinsen auf – das sie aber genau so schnell wieder absetzen kann. Entsprechende Videoausschnitte wie der, in dem sie – offenbar ohne von den laufenden Kameras zu wissen – bei der Begrüßungszeremonie des Gipfeltrefens lateinamerikanischer und Arabischer Staaten (ASPA) in Lima ihren Mann anschnautzt, sind dank Youtube inzwischen legendär. Ihr Schwiegervater Isaac Humala, der für markige Macho-Sprüche und sein Talent, Präsident Ollanta Humala das Leben schwer zu machen, inzwischen internationale Berühmtheit erlangte, nannte sie dafür „beschwipst von der Macht“.
Die „Primera Dama“ mischt politisch mit
Dabei widmet sich die Frau des Präsidenten eigentlich in erster Linie jenen Aktivitäten, die in Peru traditionell der „Primera Dama“ zugedacht werden: Sie eröffnet Schulen, geht zu Konferenzen über Frauen- und Kinderrechte, umarmt Babys und Senioren, gibt die fürsorgliche Mutter und verteilt Geschenke. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen macht sie dabei allerdings einiges anders: Sie redet auf ihren Reisen über Regierungspolitik, begleitet Ministerinnen und Minister – und reist am liebsten an Orte mit politischer Bedeutung. So werden Decken in den für Terror und Drogenhandel bekannten Tälern der Flüsse Apurímac, Éne und Mantaro (VRAEM) verteilt und Personalausweise an Kinder in indigenen Gemeinschaften, die 2009 an den als „Baguazo“ bekannten Zusammenstößen zwischen Polizei und Indígena beteiligt waren. Dann kommt ein Foto mit dem früheren Premier Óscar Valdés gerade zu dem Zeitpunkt, als dessen politisches Ende vorausgesagt wurde. Er blieb noch Monate im Amt.
Hinzu kommt: Die umarmten Babys sind nicht immer „irgendwelche“ Säuglinge: Im Juli nahm Nadine Heredia ein Kind, das nach Militärangaben aus den Klauen von Sendero Luminoso-Terroristen gerettet worden war, am Flughafen von Lima vor den Augen dutzender Fotojournalisten in ihre Obhut. Als wenig später Zweifel an der Version des Militärs laut wurden, sank ihre Beliebtheit ein wenig – erholte sich aber schnell wieder.
Kandidatur mit oder ohne Gesetzesänderung?
Zunächst hatten Zeitungskolumnisten aller Couleur seit Ende 2011 einen Deal zwischen den regierenden Nationalisten, sowie den Fujimoristen vermutet: Präsident Humala werde den inhaftierten Ex-Präsidenten Alberto Fujimori begnadigen, im Gegenzug unterstützen dessen Anhänger eine Änderung des Wahlrechts, das bislang die direkte Kandidatur von Ehepartnern verbietet. Das würde den Weg frei machen für eine eigene Präsidentschaftskandidatur Heredias bei den Wahlen 2016.
Doch inzwischen scheint es, als ob eine solche Gesetzesänderung gar nicht nötig wäre, um der populären Präsidentenfrau die Zulassung zur Wahl zu ermöglichen. Denn: Das Verbot ist in einem normalen Gesetz festgeschrieben – das hierarchisch unterhalb der Verfassung steht. Dort wiederum ist kein solches Verbot vorgesehen. Es wäre also möglich, das Verfassungsgericht anzurufen und diesen Teil des Wahlrechts für ungültig erklären zu lassen. Ausgerechnet der Präsident des peruanischen Verfassungsgerichts schlug nun noch eine weitere Variante vor, die ihm und seinen Kollegen wohl einige Arbeit ersparen würde – und aus der Feder des höchsten Wahlrechtshüters stammt, dem heutigen Präsidenten des peruanischen Wahltribunals Francisco Távara. Der hatte erklärt, das Wahltribunal könne es unter Hinweis auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit einzelner Paragraphen einfach unterlassen, diese Paragraphen anzuwenden. Entsprechende Präzedenzfälle gebe es bereits, so Verfassungsgerichtspräsident Ernesto Álvarez.
Humalas engste Beraterin als Kandidatin?
Wie groß der Einfluss Nadine Heredias auf die aktuelle Regierungspolitik wirklich ist, lässt sich von außen natürlich schwer abschätzen. In jedem Fall ist sie wohl die wichtigste Beraterin des Präsidenten – der trotz aller Kritik bereits einige Erfolge im Bereich Umwelt und Soziales aufzuweisen hat.Vermutlich dachte auch die First Lady bereits bisher im Stillen über ihre Chancen bei einer Kandidatur nach. Falls nicht, wird sie wohl spätestens jetzt damit beginnen. Ihre Wahl hinge dann wohl auch von der Beliebtheit der aktuellen Regierung gegen Ende ihrer Amtszeit ab, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ein ganzes Stück unter der derzeigen liegen wird. Böse Zungen sagen: Gewinnt sie die Wahl, werden die aktuellen Machtverhältnisse endlich den institutionellen Vorgaben einer Demokratie angepasst – und die faktische Präsidentin auch gewählte Präsidentin.
Überhaupt sind die familiären Beziehungen des Präsidenten sehr komplex. Einen Überblick zum Thema finden Sie hier!